Wie verabschiedest du dich “richtig” von einem Ort, an dem du die letzten drei Jahre gelebt hast? Und mit leben, meine ich nicht wohnen oder gemeldet sein, sondern wirklich leben – ein Ausdruck, der eine Zeit des Wachsens, Erfahrens, Leidens, Liebens und Lernens beschreibt.
Eine würdige Verabschiedung musste her
Nachdem ich also die letzten drei Jahre in Maastricht, einer kleinen Stadt im Süden der Niederlande, gelebt und studiert habe, stand ich vor der Herausforderung mich angemessen von diesem Ort und diesem Lebensabschnitt zu verabschieden. Aufgrund früherer Erfahrungen, erinnerte ich mich daran wie wenig ich es mochte, einfach in ein öffentliches Verkehrsmittel zu steigen, sei es ein Zug oder ein Flugzeug, und den Übergang von einem Lebensabschnitt in den anderen auf ein paar Stunden zu verkürzen. Dieses Mal wollte ich es anders machen und den Niederlanden die Zeit zukommen lassen, die sie verdienten, um mich angemessen zu verabschieden.
Die Niederlande sind ein kleines Land, das berühmt ist für seinen Käse und seine Waffeln, für seine Windmühlen und Schafe, für seinen Multikulturalismus und seine gezelligheid und nicht zuletzt für seine Fahrräder. Jede holländische Stadt hat eine unglaubliche Infrastruktur für Fahrradfahrer und der Ton, den ich vermutlich am meisten mit meiner Zeit in Maastricht verbinde, ist das Geräusch von kaputten Fahrrädern, die über die alten Kopfsteinpflaster der Straßen rattern. Um diesem Land der Fahrräder richtig “Auf Wiedersehen” zu sagen, bedurfte es also eines Fahrrads. Deshalb entschied ich, mich von den Niederlanden zu verabschieden, indem ich das Land einmal mit dem Fahrrad durchqueren würde – von Maastricht bis ans Meer; drei Tage um drei Jahre noch einmal zu erleben.
Nachdem ich die Route für die drei Tage vorbereitet und die Übernachtungen organisiert hatte, verließ ich Maastricht an einem Freitagmorgen auf dem Fahrrad. In den nächsten drei Tagen würde ich von Maastricht nach Eindhoven fahren, von Eindhoven nach Breda und schließlich von Breda ans Meer. Die eine Nacht verbrachte ich in einem kleinen Hostel, die andere übernachtete ich bei einer holländischen Dame, die einige Zimmer in ihrem Privathaus vermietete. Ich begann jeden Morgen mit einem ausgiebigen Frühstück und versuchte so genügend Energie zu bekommen um die nächsten Stunden auf dem Fahrrad zu verbringen. Da ich mittags immer ein Sandwich oder einen Salat aß, konnte ich meine Mittagspausen als Picknick an einem schönen Ort irgendwo im Wald oder auf einem zentralen Platz in einem der kleinen schönen Dörfer verbringen.
Obwohl ich ursprünglich geplant hatte auch die Städte ein bisschen zu erkunden, in denen ich übernachten würde, war ich am Ende des Tages meistens sehr müde und tat wenig Anderes als über meinem Buch einzuschlafen. Deshalb, wie ich leider gestehen muss, kann ich wenig Positives über die Route selbst sagen. Nach den ersten drei Stunden war ich schon ziemlich gelangweilt nur Kanäle, Wiesen, Kühe und ab und zu einen grauen Reiher zu sehen. Außerdem, oder gerade wegen der langweiligen Landschaft, war ich auch mehr und mehr die Einsamkeit leid. Ich hatte den Eindruck, dass, egal in welche Himmelsrichtung ich fuhr, ich immer Gegenwind hatte – schnell sehnte ich mich deshalb nach dem Ende meiner Reise. Dennoch widerstand ich der Versuchung einfach umzudrehen und früher zurück nach Hause zu fahren.
Mein Wille hat mich durch die schwere Zeit gebracht
Schließlich, nach drei Tagen auf dem Fahrrad, erreichte ich das Meer. Wenn ich zurückblicke auf diese irgendwie ermüdenden Tage, realisiere ich jedoch wie wertvoll sie dennoch waren. Die einzige ernsthafte Herausforderung, der ich mich während der drei Tage stellen musste (abgesehen von dem Gegenwind, natürlich), war mein eigener Wille und ich bin stolz sagen zu können, dass es mir am Ende gelungen ist, eher mit statt gegen meinen Willen zu arbeiten. Das Gefühl, nichts mit mir herum zu tragen außer meinem kleinen Rucksack und meinem grünen Fahrrad, erlaubte mir weiterzuziehen wann immer ich wollte.
Keine Zeit für Smartphone und negative Gefühle
Das erfüllte mich mit einem unvorstellbaren Gefühl von Freiheit. Außerdem erlaubten mir die drei Tage, die ich nur für mich hatte, ohne abgelenkt zu sein von Telefonen, Geräuschen oder anderen Menschen, nicht nur die drei Jahre in Maastricht noch einmal zu durchleben, sondern auch jegliche andere Art von Gedanken zu verfolgen, die aufkamen. Wann immer ein Gedanke aufkam, der negative Emotionen aufwühlte, nutzte ich die Energie um noch fester in die Pedale zu treten und zu versuchen die negativen Gedanken einfach hinter mir zu lassen. Genauso, wenn ich an etwas Schönes und Angenehmes dachte, hörte ich für einen Moment auf zu treten und ließ einfach langsam rollen um die schöne Erinnerung noch ein bisschen länger festzuhalten.
In ein paar Tagen werde ich die Niederlande verlassen und zurück nach Deutschland ziehen. Mein grünes Rennrad werde ich jedoch mitnehmen. So wie es mir jetzt geholfen hat mich von einem vertrauten Ort zu verabschieden, so wird es mir hoffentlich genauso helfen mir einen bisher noch unbekannten Ort vertraut zu machen. Als mein Vater mir das Fahrrad zum Geburtstag schenkte, sagte er, dass wenn man einem Menschen ein Fahrrad schenkt, verschenkt man Lebensfreude. Und es stimmt: Abgesehen davon, dass es ein sehr hilfreiches Transportmittel ist, bedeutet mein Fahrrad für mich Unabhängigkeit, Freiheit, Zeit für mich, die Freude, wenn ich beim Fahrradfahren den Wind in meinem Gesicht spüre – eine Fülle an positiven Emotionen und Glücksgefühlen, die ich mit einem Wort beschreiben würde als Fahrradfreuden.
Eure Alma
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