Alleine statt einsam

Trotz Ängsten: Deshalb wandert Lin alleine auf dem Jakobsweg



Einsamkeit. Lin konnte bevor sie den Jakobsweg gelaufen ist, schwer alleine sein. Nun braucht sie genau das für sich. In diesem Artikel erfährst du mehr über Lin und ihre Passion: Alleine wandern. Auf dem Jakobsweg. Fühlst du dich schnell alleine oder ist vielleicht genau dieses “Alleine sein” das, was du suchst? Lass dich von Lin inspirieren, hier erfährst du mehr über ihre Reise zu sich selbst:


Ich bin Lin, 27 Jahre alt und lebe in der Nähe von Köln. Ich fühle mich aber so richtig zu Hause und frei, wenn ich auf den Jakobswegen unterwegs bin. Ich arbeite in einem recht konservativem Beruf, ich bin Kauffrau für Versicherungen und Finanzen. Als stellvertretende Teamleiterin habe ich viel mit Menschen zu tun. In meiner Freizeit treibe ich Kraft- und Ausdauersport. Meine Freunde und meine Familie sind mir sehr wichtig. Vor meinen Reisen auf den Jakobswegen konnte ich nur schwer alleine sein. Ich habe es sehr genossen, jeden Tag Besuch zu haben. Inzwischen brauche ich aber auch Zeit für mich alleine.


Bedeutet alleine sein gleich einsam zu sein? Ganz klar: NEIN!

Ich muss sagen: Mein erster Jakobsweg war der Camino Portugues. Hier ist jeder, auch wenn die Person die Reise alleine antritt nicht wirklich allein. Im Herbst 2020 habe ich mich recht spontan entschieden, die Pilgerreise von meiner Haustür bis nach Santiago de Compostela anzutreten. Dabei war ich nicht nur alleine, sondern in bestimmten Situationen auch einsam. Alleine mit mir war ich auf den Wanderwegen. Hier setze ich mich zwangsläufig mit meinen Gedanken, Gefühlen und Emotionen auseinander, doch die Einsamkeit kam tatsächlich dann ab und zu an meinen Zielorten, wo ich ab dem frühen Nachmittag alleine in Cafés saß, alleine zum Abendessen ging und mit keinem über meine Erfahrungen sprechen konnte. Die Nachmittage zogen sich dann schon sehr, daher nutzte ich (sofern es während der Hochphase der Pandemie ging) die Möglichkeit, bei Privatleuten zu nächtigen und dort am familiären Abendessen teilzunehmen.


“Auch mal einsam sein” als Learning

Ich denke jedoch, dass es auch ein gutes Learning sein kann, mal temporär einsam zu sein. Nun, aber erstmal zu den dichter bevölkerten Jakobswegen: Auch hier habe ich schnell gelernt, dass ich öfter während des Gehens und auch gerne mal am Nachtmittag ein Stündchen in der Unterkunft alleine für mich bin. Das wird auch immer unter den Pilgern respektiert und bedarf eigentlich keine großen Worte. Ich falle hier nach ein paar Tagen in einer Art Meditation und bekomme gefühlt nur die ersten und letzten paar Kilometer mit. Für mich ist das die vollkommenste Art der Entspannung.


Der Unterschied zwischen Einsamkeit und dem Alleine sein ist für mich: Alleine sein ist eine Tatsache und die Einsamkeit ist ein „kaltes“ Gefühl, indem ich mir sehnlichst Jemanden zu mir wünsche.


Daher wandert Lin am liebsten alleine

Warum ich damals das erste Mal alleine gestartet bin, kann ich genau sagen: Ich habe mir gedacht, dass es eine „Extremsituation“ für mich ist und ich wollte mich da nicht noch mit den Problemen und „Wehwehchen“ anderer beschäftigen. In Foren habe ich gelesen, dass es da oft zu Unstimmigkeiten in Freundschaften und Beziehungen kommt.
Danach habe ich gelernt, dass ich gar nicht alleine wandere. Ich starte nur alleine, lerne aber in der Regel schnell Gleichgesinnte kennen. Da auf dem Jakobsweg eine ganz besondere Art von Mensch unterwegs ist, kommuniziert jeder direkt anders miteinander und erkennt schnell, ob es passt oder nicht. Ich bin von Niemandem abhängig, aber genieße dennoch die schönste Form der Nächstenliebe.
Im Herbst 2022 bin ich nach einer 10-wöchigen Pilgerpause nochmal für knapp 4 Wochen auf den Jakobsweg und eine liebe Followerin namens Sabrina wollte sich mir von Anfang an anschließen, da sie sich auf ihrem ersten Stück hier in Deutschland sehr einsam fühlte. Wir haben gewisse Absprachen getroffen und ich habe ganz klar für mich definiert, dass ich dennoch „Solo-Pilgerin“ bin und keine Verantwortung trage und dennoch macht man sich plötzlich Gedanken darüber, ob die Mitpilgerin welche noch ein paar Kilometer braucht, auch ein Bett in der selben Unterkunft bekommt etc. Zum Glück haben Sabrina und ich sehr gut harmoniert. Wir standen zuvor schon 2 Jahre im engeren Kontakt via Instagram und Telefon. Doch würde ich sagen, dass ich alleine fokussierter bin.
Zudem habe ich besonders hier in Deutschland in Cafés und Restaurants erlebt, dass ich scheinbar weltoffener bin, wenn ich alleine irgendwo sitze, was echt schöne Gespräche mit anderen Leuten hervorbringt.


Die größten Herausforderungen beim alleine starten

Als ich wirklich das erste Mal alleine gestartet bin, gab es eine Unsicherheit. Die Angst davor alleine mit allen Hürden klar kommen zu müssen. Sein „Leid“ wenn ich z.B. keine Unterkunft findet, alleine tragen zu müssen. Nach etwas Erfahrung gab es hier in Deutschland und am Anfang von Frankreich aber dann eigentlich nur diese Herausforderungen:

  • Ich hatte keine Mitpilger, die Tipps für alles rund um die Wanderung hatten
  • Verabredungen für den Nachmittag oder Abend fehlten
  • Zum Teilen gab es niemanden. Denn auf belebten Strecken kann man sicher sein, dass man z.B. eine Creme oder ähnliches von irgendeinem Mitpilger bekommt. So musste ich sonst nicht immer an alle Eventualitäten denken.


Zu Lins Passion gehört: Die Einfachheit, die Nächstenliebe, das Entschleunigende und die Freiheit

Ich habe als Kind eine Doku gesehen und gesagt „so eine Fernwanderung möchte ich auch machen“. 2019 bin ich dann auf dem Camino Portugues gestartet. Ich dachte, dass circa elf Tage ein machbares Ziel sind.
Naja und dann ist es einfach so passiert: Die Einfachheit, die Nächstenliebe, das Entschleunigende und die Freiheit haben mir so gut gefallen, dass ich zurück zu Hause in den sogenannten Camino Blues gefallen bin. Die Sehnsucht hat mich so sehr gepackt, dass ich gesagt habe, ich möchte eine weitere Pilgerreise antreten. Daraufhin buchte ich für 2020 Flüge nach Madrid, um ab Leon erneut zu starten. Zwei Wochen vorher dann ein erneuter Lockdown und die Flüge wurden gestrichen, kurzerhand entschied ich, den Weg von meiner Haustür aus zu starten. Insgesamt fünf mehrwöchige Etappen und ziemlich genau 2 Jahre später endete ich in Burgos. Und hier bin ich heute. Ich habe vor wenigen Tagen meine Anreise nach Burgos für Ende Mai 2023 gebucht und werden die lange physische und psychische Reise beenden und vielleicht sogar noch auf eine ganz besondere Art verlängern.


Diese große Entscheidung habe ich auf dem Jakobsweg getroffen:


Seit ich denken kann ist für mich klar: Ich möchte Kinder. Das klassische Modell ist Mutter, Vater, Kind. Nach vielen Jahren konnte ich mir nach einigen Gesprächen mit Mitpilgern endlich eingestehen, dass ich gar keinen Mann möchte. 2021 habe ich mit meiner lieben Mitpilgerin Bea viel über das Thema gesprochen und zurück zu Hause fügte sich plötzlich ein Puzzle zusammen. Nach ersten Gesprächen mit Freunden und den ersten Gesprächen in einer Kinderwunschklinik gehe ich nun den Weg der Solo-Mutterschaft. Und siehe da: Ich habe mir umsonst sorgen gemacht „Was würden die Anderen denken“, denn ich habe durchweg nur positive Resonanzen erhalten.


Deshalb wandert Lin am liebsten alleine

In meinem Alltag ist es oft stressig und ich trage viel Verantwortung auf unterschiedlichen Ebenen. Wenn ich alleine auf dem Jakobsweg bin, habe ich nicht viele Aufgaben und Verpflichtungen. Der Hauptjob ist das monotone Gehen. Ich muss außerdem essen, trinken, eine Unterkunft aussuchen und meine Wäsche waschen. Das ist es!
Ich habe auf den Jakobswegen durch Gespräche und Selbstreflektion einiges gelernt:

  • Wie wichtig ich mir selbst bin.
  • Wie einfach das Leben wirklich sein kann.
  • Dass ich keinem gesellschaftlich anerkanntem Ideal hinterher laufen muss.
  • Ich habe viele lebensverändernde Entscheidungen getroffen.
  • Ich bin heute viel ausgeglichener.

Welchen Vorurteilen begegnest du?

  • “Hast du keine Freunde oder warum machst du das immer allein!?”
  • “Ist das nicht super anstrengend da den ganzen Tag zu gehen!?”
  • “In Schlafsäälen schlafen? Das könnt ich ja nicht.”
  • “Gibt es da überhaupt Zivilisation?”
  • “Oha! Du bist zu Fuß bis nach Spanien gegangen?”

Von all den Vorurteilen hat sich Lin nicht abbringen lassen und hat ihre eigenen Erfahrungen gemacht.


Lins drei Tipps gegen das Gefühl von Einsamkeit:

1. Das Gefühl zulassen und nicht direkt mit dem Handy gegensteuern.
2. Ergründen, warum du dich gerade einsam fühlst.
3. Aktiv auf Leute zugehen und sie zum Beispiel auf einen Drink einladen.

Was hilft dir, wenn bei dir ein Gefühl von Einsamkeit aufkommt?


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Auf welche deiner Ängste bist du schon mal aktiv zugegangen?

Was sind deine Tipps gegen Einsamkeit?

Hast du Fragen an Lin?

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