Engagement im Ausland – was bedeutet das eigentlich?
Für die einen bedeutet es, ein halbes oder ganzes Jahr ein freiwilliges Jahr im Ausland zu machen. Andere gehen nur für eine Woche ins Ausland und arbeiten freiwillig bei einem Projekt oder in einer sozialen Einrichtung. Egal, wie lange du gehst, bist du in dieser Zeit kein Tourist. Im besten Fall nimmst du dir also die Zeit, richtig in eine Kultur einzutauchen, dort zu arbeiten, die Sprache zu lernen und die Menschen vor Ort kennenzulernen.
Ich, Natascha, bin auf den Philippinen aufgewachsen, aber das war für mich Heimat. Also habe ich mich im Studium dazu entschieden, dass ich für ein paar Monate nach Jordanien will, um das Arbeitsleben in einer mir neuen Kultur kennenzulernen. Ich habe dort in einer Schule für Menschen mit Behinderungen ehrenamtlich gearbeitet. Lilly, meine Kommilitonin und Co-Autorin für diesen Artikel, hat sich in Nepal in einem Projekt für rauchfreie Öfen engagiert.
Uns ist bewusst, dass viele anderen Mädchen davon träumen, ins Ausland zu gehen. Auch uns hat die Zeit im Ausland und unser Engagement vor Ort viel bedeutet. Wir haben jedoch gelernt, dass ein Auslandsaufenthalt auch kritisch zu betrachten ist.
Deshalb haben wir dir ein paar Denkanstöße zusammengetragen, die du vor deiner Entscheidung, ins Ausland zu gehen und bei deinem Engagement vor Ort beachten solltest. Einen Gedanken von Lilly wollen wir vorab mit dir teilen: „Du bist diejenige, die sich am stärksten verändert – nicht die Welt!“
Engagement-Kolumne – Was kann ich schon bewirken?
Sehr viel kannst du bewirken! Mit unserer „Girls for Girls – Engagement lokal & global“-Kolumne unterstützen wir Dich bei Deinem Engagement für Mädchen. Globale Solidarität unter Mädchen ist das Ziel. Engagementmöglichkeiten, Erfahrungen vom intombi-Team zum Aufbau von Projekten und Austausch untereinander findest Du hier.
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Die 7 Denkanstöße
1. Das Gefühl: Alle gehen ins Ausland.
Niemand sollte sich gezwungen fühlen, ins Ausland gehen zu müssen. Auf Insta und TikTok werden Auslandsaufenthalte als das tollste überhaupt gezeigt. Da entsteht manchmal das Gefühl, dass alle auf jeden Fall ins Ausland müssen.
Für Manche ist dieser Druck vielleicht der Schubs, den Mut zusammen zu nehmen und verschiedene Länder zu bereisen. Für andere ist es purer Stress und demnach keine gute Entscheidung. Engagement im Ausland bedeutet, vieles zu bedenken und zu organisieren, Unsicherheiten auszuhalten und manchmal Situationen zu erleben, die nicht planbar oder kontrollierbar sind. Manchmal passen auch einfach die äußeren Umstände nicht (z.B. finanzielle Belastung, Heimweh oder andere Sorgen) und daher ist es absolut ok, nicht ins Ausland zu gehen.
2. Die Frage: Warum mache ich das überhaupt?
Durch dein Engagement kann nicht die Welt gerettet oder „armen Kinder“ geholfen werden. Durch dein Engagement wirst du in erster Linie verschiedene Menschen und Lebenslagen kennenlernen. Während du in diesen Begegnungen vielleicht andere Leben beeinflusst, werden sich in erster Linie dein Leben und Perspektive verändern.
Vielleicht seid ihr schonmal dem Begriff „white saviorism complex“ begegnet. Das ist die Einstellung, von weißen Menschen, „armen Kindern“ in Ländern des globalen Südens helfen zu können. Damit ist gemeint, dass privilegierte weiße Menschen in den globalen Süden reisen und sich dann über Fotos und Social Media als Retter*innen von den „bedürftigen Menschen“ vor Ort darstellen. Diese und andere solcher falschen Einstellungen können nicht nur für dich selbst gefährlich sein, sondern vor allem für die Menschen vor Ort.
Unser Tipp: Sei dir bewusst, dass du in erster Linie für dich selbst ins Ausland gehst. Wenn du also von Zuhause wegreist, dann reise mit offenem Herzen und lass auch kritische Gedanken über dein Tun zu.
3. Was bringst du mit?
Deinen Aufenthalt mitzuorganisieren, dich zu versorgen und auf dich aufzupassen, kostet die Einrichtung vor Ort Zeit und Geld. Je nachdem, wie oft neue Freiwillige und Volontäre vor Ort sind, sind die Mitarbeiter*innen gewohnt, ungelernte und immer neue Mitarbeiter*innen einzuarbeiten. Wenn du für drei Monate an einem Projekt im Ausland mitarbeitest, bist du dort überhaupt eine Hilfe? Hast du Erfahrung oder Ressourcen, die vor Ort gebraucht werden? Wenn du Ressourcen, Qualifikationen und Lebenserfahrungen mitbringst, wie kannst du diese am besten vor Ort einsetzen? Was machst du, wenn du merkst, du bist keine Hilfe?
Unser Tipp: Versuche dein Engagement im Ausland mit der selben Perspektive und Offenheit anzugehen, wie du auch in deinem Heimatland ein Engagement angehen würdest. Stelle dich auf neue Arbeitsweisen ein und versuche, dich an die neue Arbeitswelt zu gewöhnen. Plane dafür ausreichend Zeit ein, je länger dein Aufenthalt, desto besser. Denn um richtig in eine Kultur einzutauchen, brauchst du mehr als drei Monate.
4. Wir packen (vorher) unsere Schubladen aus
Mit welchem Schubladendenken gehst du an Engagement im Ausland? Denkst du dabei auch an eine Äthiopierin, die in einem Kindergarten in der Schweiz arbeitet? Oder an einen Balinesen, der in Finnland Schlittenhunde pflegt? Bei vielen von uns beruhen unsere Vorstellung auf versteckten Stereotypen oder rassistischen Denkweisen, genau wie bei vielen anderen Menschen. Du kannst dich fragen, was es bei deinem Engagement vor Ort bedeutet, wie du aussiehst und wo du herkommst. Viele Länder haben eine koloniale Geschichte, in der sie andere Länder beherrscht haben oder von anderen Ländern beherrscht wurden. Wie willst du mit diesen Erfahrungen umgehen und mit wem kannst du vor Ort darüber reden?
Unser Tipp: Antwort zu diesen Fragen findest du im Vorhinein durch den Kontakt mit der Projektleitung oder Organisation vor Ort oder durch Recherche über das Land. Du kannst auch deine*n Ansprechpartner*in fragen, inwiefern solche Gedanken einen Unterschied machen.
5. Check your Privileges!
Let’s face it: Auslandsaufenthalte kosten Geld. Das kann sich nicht jeder junge Mensch leisten. Wie ist es also zu rechtfertigen, dass einige diese Erfahrung machen dürfen und andere aus finanziellen Gründen den Kürzeren ziehen? Würdest du dein Engagement auch machen, wenn du kein Geld hättest, um zu reisen oder touristische Aktivitäten zu machen? Wofür gibst du vor Ort dein Geld aus? Sind es Sachen, die sich andere vor Ort auch leisten?
Unser Tipp: Sei achtsam mit den Lebensweisen deiner Kolleg*innen und Freund*innen vor Ort. Welche Signale sendest du, wenn du zum Beispiel nicht ohne dein von Zuhause gewöhntes Essen leben kannst? Manchmal hilft es, bewusst auf die Sachen, die man gewöhnt ist, zu verzichten.
6. Wie ökologisch und sozial nachhaltig ist mein Engagement?
Ins Ausland zu kommen ist je nach dem ein weiter Weg. Die teilweise langen Flüge bis zu eurem Aufenthaltsort sind für die Natur und die Tierwelt gefährlich.
Vor Ort wollen wir dann auch etwas sehen und entdecken. Wir wollen alle coolen, touristischen Events miterleben, um den neuen Ort so richtig auszukosten. Ist es notwendig, mit Jeeps durch Naturreservate zu fahren? Werden die Tiere, auf denen wir reiten, gut behandelt? Ist ein Ort für manche Menschen heilig und unter welchen Umständen darf ich ihn dann überhaupt besuchen? Sogar deine gewählten Arbeitswege haben einen großen Einfluss auf unsere Umwelt.
Unser Tipp: Reflektiere deine Entscheidungen und welchen Einfluss du auf deine Umgebung hast. Hierzu noch ein Rechner, wo du nachschauen kannst, wie viel CO2 deine Reise verursacht: CO2-Rechner.
7. Wie erzähle ich von meinem Engagement?
Oftmals tendieren wir dazu, unseren Freund*innen und Familien sehr stereotypisch von unserem Engagement im Ausland zu erzählen. Es sei dort alles „so krass“ und „ganz anders“ als Zuhause. Auch auf Fotos versuchen wir, „das Extremste“ und „Abenteuerlichste“ festzuhalten, selbst wenn dazu ein komischer Blickwinkel gewählt und vielleicht sogar eine Ecke wegschnitten werden muss. Oft entsteht der Eindruck, dass Länder „gefährlich“ oder vielleicht sogar „weniger fortschrittlich“ wären. Dass dabei vieles ganz wie Zuhause aussieht, wird vergessen oder verschwiegen. Wie stellst du dich selbst und andere in Fotos dar? Werden die Menschen auf deinen Bildern als hilfsbedürftige Menschen dargestellt oder als nette Menschen, die du vor Ort getroffen hast?
Unser Tipp: Suche beim Erzählen bewusst nach den Eigenschaften, die dein Aufenthaltsland und dein Zuhause verbinden und berichte darüber.
Welche Gedanken hast du jetzt?
Wenn du beim Lesen gemerkt hast, dass Engagement im Ausland nichts für dich ist, ist das völlig in Ordnung. Wenn es deine Passion ist, dich im Ausland bei einem Projekt zu engagieren oder du es einfach mal ausprobieren willst, lass dich nicht davon abschrecken. Denn du kannst bei deinem Engagement im Ausland selbst Erfahrungen sammeln, Fehler machen und vieles über dich selbst und die Welt lernen. Vielleicht schreibst du im Nachhinein sogar eine eigene Liste an Denkanstößen für andere Mädchen und junge Frauen, die sich im Ausland engagieren wollen.
Wir sind intombi! Eine Mädchenorganisation aus Köln. Hier hast du die Möglichkeit dich digital und lokal als Ehrenamter*in zu engagieren. Bei uns kannst du beispielsweise bestehende Artikel in Englisch übersetzen. Du engagierst dich so für andere Mädchen und junge Frauen, in dem du deine Erfahrungen und Wissen teilst oder andere auf die Notwendigkeit Mädchen zu unterstützen, aufmerksam machst. Du willst uns supporten? Dann schau mal bei Instagram vorbei oder schreib uns eine E-Mail an: info@intombi.de
Hast du dir schonmal überlegt, dich im Ausland bei einem Freiwilligendienst oder als Volontär zu engagieren? Was bewegt dich dazu und/oder was hält dich davon ab? Verrate es mir in den Kommentaren. Ich bin gespannt, was du zum Thema Engagement im Ausland denkst. Deine Natascha aus der intombi Redaktion.
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