Kirmes im Kopf – So geht Angelina mit der Diagnose AD(H)S um


Angelina hat einen violetten Strickpullover und eine schwarze Hose an. Ihre blonden, schulterlangen Haare trägt sie offen. Sie geht lächelnd durch einen Park auf die Kamera zu.
Angelina ©WDR/Annika Fußwinkel

Ob ernste oder lustige Themen, Angelina berichtet authentisch und bringt Wissen auf den Punkt. Als neugierige Journalistin kennst du sie unter anderem von funk und dem WDR. Die junge Frau hat vor weniger als einem halben Jahr die Diagnose AD(H)S bekommen und war nicht sonderlich überrascht, dass ihre Kreativität und Impulsivität nun einen Namen hat. In diesem Artikel erfahrt ihr mehr darüber, wie es ist mit AD(H)S zu leben und wie Angelina mit der Diagnose und den Folgen umgeht.



Wie bemerkst du AD(H)S in deinen zwischenmenschlichen Beziehungen?

Durch meine zwischenmenschlichen Beziehungen bekomme ich viel Feedback. Arbeitskolleg:innen die auf To Do’s warten, die ich verschwitzt habe, Freund:innen, die damit klarkommen müssen, dass ich mich verspäte oder kurzfristig absage und natürlich meine Familie und mein Partner. Ich halte mich nicht an Absprachen, bin diskutierfreudig, schnell eingeschnappt und verschiebe immer wieder To Do’s. Da sind Konflikte vor allem mit meinem disziplinierten Freund vorprogrammiert. Er hilft mir aber und schreitet ein, wenn ich an meine Grenzen stoße, mal eine Pause brauche, oder kurz davor bin, wieder mal auf vier Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen.


ADHS ist die Abkürzung für Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung und bezeichnet eine Verhaltensstörung von Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen, die durch Auffälligkeiten in folgenden drei Kernbereichen gekennzeichnet ist:

– starke Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen,
– starke Impulsivität und
– ausgeprägte körperliche Unruhe (Hyperaktivität).

Wir möchten nicht unerwähnt lassen, dass viele Betroffene aufgrund ihrer ADHS auch besondere Ressourcen haben. So kann sich beispielsweise Impulsivität in Spontaneität, Flexibilität und auch in Kreativität ausdrücken. Eine ausschließlich defizitorientierte Sichtweise von Betroffenen wird diesen nicht gerecht.
(Quelle: ADHS-Inforportal)


Was hat sich durch deine Diagnose verändert und welche Herausforderungen haben sich dadurch ergeben?

Die Diagnose hat mir Sicherheit gegeben. Die Sicherheit, dass da etwas ist. Was ich immer vermutet hatte, aber nie fassen konnte. Das gibt mir so etwas wie einen inneren Frieden. Aber es hat auch dazu geführt, dass ich mein ganzes Leben noch einmal Revue passieren lassen habe und da stellt sich dann immer wieder die Frage: Hätte eine frühere Diagnose mir vielleicht einiges ersparen können? Genau deswegen halte ich es für sehr wichtig, dass man sich auch noch nach der Diagnose professionelle Hilfe holt. Da kann man dann genau diese Gefühle besprechen und auch erarbeiten, wie man das Leben nach der Diagnose angehen möchte. Wie bekomme ich mehr Struktur und Ordnung in mein Leben? Wie kann ich Schuldgefühle, die durch die AD(H)S entstanden sind abbauen und wie schaffe ich es zum Beispiel besser Freundschaften zu halten oder Kritik anzunehmen?


Was würdest du jungen Frauen raten, die vermuten AD(H)S zu haben oder möglicherweise auch schon die Diagnosen bekommen haben?

Wer den Verdacht hat kann sich erstmal im Internet informieren, vielleicht auch mal einen Online-Test machen, aber so etwas ersetzt niemals eine professionelle Diagnose! Deshalb würde ich raten – geht zum Arzt/zur Ärztin! Ich bin als erstes zu meiner Hausärztin, die hat mich dann an eine Psychologin überwiesen, die sich auf AD(H)S im Erwachsenenalter spezialisiert hat. Man kann sich auch an eine AD(H)S-Ambulanz wenden, oder an eine:n Psychiater:in – Hauptsache die Person versteht ihr Fach. Was dann danach passiert, entscheidet jeder Mensch selbst, denn wie sehr AD(H)S das Leben beeinflusst ist abhängig vom Leidensdruck. Es gibt die, die ihr Leben lang schon Probleme deswegen hatten, andere sind immer gut durchgekommen. AD(H)S bringt viele Probleme mit sich, kann aber auch eine Superkraft sein. Denn ohne sie, wäre ich beispielsweise nicht so kreativ, hätte niemals meinen Traumjob gefunden und wäre vielleicht auch nicht so emphatisch, sowohl in meiner Arbeit als auch im Privatleben.



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Welche Möglichkeiten gibt es, um sich mit anderen über AD(H)S zu unterhalten?

Es gibt tolle Möglichkeiten mit anderen Betroffenen in Kontakt zu kommen, sich auszutauschen und gegenseitig Tipps und Strategien zu teilen. Es gibt beispielsweise die Möglichkeit in eine Selbsthilfegruppe zu gehen, sich eben therapeutische Hilfe zu suchen oder mal bei kirmesimkopf vorbei zu schauen. Diesen Instagramkanal habe ich gegründet, um eben genau das zu schaffen – einen Ort, an dem Betroffene zueinanderfinden und sich gegenseitig empowern können. Wir teilen dort wissenschaftliche Fakten, aber auch lustige AD(H)S-Memes und persönliche Geschichten. Super interessant, auch für Nicht-Betroffene, wie zum Beispiel Pädagog:innen, die mit Betroffenen arbeiten, oder das Umfeld von Menschen mit AD(H)S. Einfach mal vorbeischauen!


Hilfe für AD(H)S Betroffene – hier findest du passende Anlaufstellen



Wie ist es, AD(H)S während einer Pandemie zu haben?

Das es momentan Kontakteinschränkungen gibt und man sich viel Zuhause aufhält, egal ob im Homeoffice oder privat, das kommt mir ganz gelegen. So gerne ich meine Mitmenschen sehe und von ihnen höre, die „Corona-Phase“ gibt mir mehr Zeit für mich selbst, nimmt mir den Druck, Menschen regelmäßig sehen zu müssen und Termine einzuhalten und schafft mir eine Art „Ausrede“, die alle akzeptieren.



Angelina trägt eine weiße Fell-Jacke. Sie steht vor einer grauen Betonwand und lächelt




Ob AD(H)S jetzt eine Krankheit, Verhaltensstörung oder doch einfach nur eine Andersartigkeit des Gehirns ist, das muss jede:r Betroffene selbst für sich definieren. Das Wichtigste ist – es ist kein Weltuntergang! Was sind deine Erfahrung mit oder zu AD(H)S? Hast du noch weitere Fragen? Schreib sie uns in die Kommentare.




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Kommentare

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  1. Xia um 10:35

    Eine “Ausrede” um keine Menschen zu treffen 😂 das fühl ich.
    Habe meine Diagnose mit 12 bekommen. Meine Lieblings Superkraft ist der Hyperfokus. Dabei sind die coolsten Dinge entstanden 🤗

    Die größte Hürde (meine Empfindung) ist mit anderen darüber zu reden.
    “ADHS? Achja das heißt ja das du immer Aufmerksamkeit willst und so. Du musst halt einfach lernen das sich die Welt nicht um dich dreht.”
    … Ja genau das 🤦‍♀️

    Ich schau jetzt erstmal auf Instagram vorbei. Danke für den tollen Beitrag ❤️

    • intombi Team um 15:14

      Toll, dass du so eine praktische Superkraft hast und positive Dinge daraus ziehen kannst 🙂 Vielen Dank für dein Feedback!

  2. Ronja W. um 13:08

    Anders als Alexander weiter unten schreibt hätte ich meine Diagnose, glaube ich, gerne früher bekommen.

    Meine Familie hat nie ein System gefunden, mit meinen Methoden, was (nicht-)Lernen, Kommunikation, und Ordnung angeht, umzugehen. Das ADHS hat meine schulischen Leistungen nicht beeinflusst, aber Sprüche wie “Du bist doch so schlau, warum MACHST du denn nicht einfach???”, die aus dem völligen Unverständnis kamen, sind schon hart gewesen.

    Wenn da einfach jemand gewesen wäre, der verstanden hat, dass manchmal Sachen, die nicht interessant waren, wirklich nicht in mein Gehirn gingen, und auch das neunte abschreiben eines Textes daran nichts ändert, wäre das, schon für meinen inneren Frieden, eine große Hilfe gewesen.

    • intombi Team um 15:15

      Sehr schade, dass du niemanden hattest, der dich darin unterstützen konnte. Wir hoffen, dass du heute Menschen um dich rum hast, die besser mit deinen Methoden umgehen können.

  3. iris hogelucht um 11:24

    hallo, mir geht es genauso. die diagnose ADHS habe ich selber diagnostiziert, als ich meine Ausbildung 1996/1999 zur Ergotherapeutin gemacht habe . ich habe aber dies nie professionell diagnostizieren lassen… sondern mich immer wieder selbstreflektiert !

    • intombi Team um 15:18

      Toll, dass du das durch Selbstreflexion herausgefunden hast! 🙂

  4. Natascha Haack um 9:45

    Hallo mein Sohn ist jetzt 14 Jahre alt und hat seit dem 6 Lebensjahr die Diagnose ADHS. Leider werden einem Kind, das anders tickt als andere Steine in den Weg gelegt. Er musste sogar die Schule wechseln, weil die Rektorin meinte, dass diese Schule nicht für ihn wäre. Es war eine Gemeinschaftsschule mit Inklusion😂😂 er hatte auch seine eigene Kraft an seiner Seite, die ihm geholfen hat. Die Lehrer und die Schüler waren pro gegenüber meinem Sohn eingestellt. Sie waren optimistisch, dass er es schafft. Aber die Rektorin wollte ihn loswerden und hat es auch geschafft. Nun ist er auf einer Realschule und es läuft gut. Nicht immer, aber das ist auch ok für jeden. Danke für den Artikel.
    LG Natascha

    • intombi Team um 15:37

      Liebe Natascha, sehr schade, dass dein Sohn an seiner vorherigen Schule diese Ablehnung erfahren hat. Aber toll, dass es nun ein Umfeld gefunden hat, in dem es für ihn besser läuft. Vielen Dank für deine Geschichte! 🙂

  5. Hedda um 20:22

    Habe 2 Kinder, mittlerweile erwachsen, die beide die Diagnose AD(H)S bekamen, so ich ebenfalls. Habe es immer als Beeinträchtigung erlebt. Neuerdings gibt es einen anderen Begriff, der meiner Überzeugung nach besser greift, nämlich den der Hochsensibilität. Die Hochsensibilität ist keine Diagnose oder Krankheit, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal, das 10 bis 15 Prozent aller Menschen haben. Interessanterweise gibt es im Tierreich ebenfalls hochsensible Exemplare. 10 Prozent aller Tiere sind aufgrund ihrer sensibleren Wahrnehmung in der Lage, ihre Herde frühzeitig vor Feinden zu warnen, Nahrung oder Wasser zu finden. Es gibt entsprechende Studien dazu. Hochsensible Menschen nehmen überdurchschnittlich viele Reize auf und sind infolgedessen schnell überfordert/erschöpft. Sie erspüren Stimmungen, gehen Dingen auf den Grund, sind an existentiellen Fragen interessiert, schnell überreizt, lärmempfindlich, oft kreativ. Leider haben Hochsensible oft Probleme in unserer Gesellschaft, die einseitig an Kognitivem, logischen Denken ausgerichtet ist. Das gilt sowohl für unser Schulsystem wie auch für die Berufs- und Arbeitswelt. Ich habe das oft erfahren, leider meist negativ.

    • intombi Team um 15:42

      Das ist ja sehr interessant und das haben wir in der Redaktion auch nicht gewusst. Wir hoffen, dass die Gesellschaft lernt, anders mit hochsensiblen Menschen umzugehen und ihre Fähigkeiten besser zu schätzen weiß. Vielen Dank für deine Geschichte! 🙂

  6. Marc Mirtschin um 14:50

    Ich habe mit meinem 7 LebensJahr ADHS diagnostiziert bekommen und ab diesem Zeitpunkt bis 18 Jahren Ritalin bekommen. Jetzt bin ich 34 und konsumiere seit dem 18 Lebensjahr als Ersatz für die Tabletten Cannabis und mir hilft es! Jetzt versuche i h schon seit geraumer Zeit dieses Medicamentös verschrieben zu bekommen. Dafür brauche ich einen ADHS Test für Erwachsene … Lustiger Weise muss ich jetzt anscheinend nach weißen das ich ADHS habe 😁 vielleicht können sie mir ja helfen. LG vom Marc

    • intombi Team um 11:14

      Lieber Marc,
      wir können dir leider keine Informationen zur Diagnose oder Behandlung geben, da wir keine Fachleute sind. Eine Anlaufstelle könnte aber beispielsweise eine ADHS-Ambulanz sein, wie sie Angelina in ihrem Artikel auch angeführt hat. Wir drücken dir auf jeden Fall ganz fest die Daumen, dass du eine geeignete Ansprechperson findest, die dich auf deinem weiteren Weg unterstützen kann. (Anmerkung der Redaktion: für betroffene Personen gibt es viele unterschiedliche Wege mit der Diagnose ADHS umzugehen, nicht jeder Weg ist für jede Person passend)

  7. Alexander K. um 22:07

    Eine ADHS Diagnose für Kinder ist viel schlimmer. Zunächst fühlt man sich minderwertig und unvollkommen. Irgendwie denkt man, man ist Fehlerhaft und sowieso nicht zu gebrauchen.
    Das bremst einen Jungen Mensched aus und
    gibt ihm ein schlechtes Gefühl für sich selbst.
    So ging es mir im Grundschulalter nach der Diagnose. Das hatte mein Interesse an der Schule nicht gesteigert.
    Nach dem 10.Klasse Abschluss folgte eine Ausbildung. Danach ein Techniker Abschlluss und zuletzt habe ich noch Maschinenbau studiert.
    Im Gegensatz zu Angelina bin ich total zuverlässig, bin pünktlich und in dem was ich tuhe sehr organisiert und habe ein sehr analytisches Denken. Das stand auch mehrfach in Arbeitszeugnissen.
    Wie ich finde, ist nicht jeder junge aufgeweckte Mensch der vielleicht nicht immer total interessiert in der Schule ist gleich ein Problemfall oder mangelbehaftet.
    Menschen so abzuschreiben ist für deren Selbstwertgefühl eine richtige Abfahrt.
    Jeder Mensch hat Schwächen und Stärken und genau an den Stärken sollte jeder anknüpfen!

    • intombi Team um 15:45

      Da stimmen wir dir zu. Es ist auf keinen Fall so, dass aufgeweckte junge Menschen, die auch manchmal uninteressiert in der Schule sind eine Problemfall sind. Und sie sollten niemals als ein solcher gesehen und behandelt werden.

  8. Diana um 20:31

    Hallo, ich bin die Freundin eines ADHSlers und ich fühle mich durch sein Verhalten nur noch ausgebrannt. Er selbst leider gar nicht. Er ist impulsiv, hyperaktiv, schnell beleidigt und dann cholerisch. Dann erwartet er aber gleichzeitig immer bewundert zu werden und alle Ideen toll zu finden. Er ist unzuverlässig und sorglos.
    Ich habe meine Balance verloren und ich fühle mich durch ihn ausgebrannt.
    Viele Grüße D.

    • intombi Team um 15:46

      Wir hoffen, dass du eine Lösung findest und du deine Balance wiederfinden kannst. Viele Grüße! 🙂

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